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Qualitäts-Definition von Innereien & Innereien-Kreationen der Steirecker-Köche und Max Stiegl

Dieser Artikel basiert auf dem Koch.Campus-Vortrag von Fleischer Franz Dormayer und
Heinz Reitbauer
​ – Chefkoch des Steirerecks (**) und
​ausgezeichnet mit “Koch des Jahrzents” (Gault Millau Guide 2006) –
vom 19.08.20 im Steirereck, Wien

„Epi-Food und Innereien, passt das?“ war eine Frage die wir uns anfangs stellten. Und relativ schnell war die Antwort klar, „Ja, natürlich!“. Warum? Unter Umständen habt ihr es eventuell sogar schon geschafft unseren Artikel über das „New Normal“ gelesen. Dieser handelt von den Trends, die der Coronavirus mit sich gebracht oder begünstigt hat (Titel „„Was geht, was bleibt? – Wie Covid-19 unser Essverhalten verändert hat). Dieser Artikel erklärt wie wichtig es ist, dass sich die Fleischindustrie ändert. Qualität, Arbeitsbedingungen, Haltungsbedingungen, Aufzucht, Futter, Tiergesundheit, Schlachtung und Reifung rücken in den Vordergrund. Es wird nach einer holistischen Qualität gefordert und somit ebenso die Transparenz der Produkte. Es ist Zeit für die angemesse Wertschätzung des Lebewesen, das stirbt und für einen geschlachtet wird. Und zum ganzen Tier gehört nun mal nicht nur das Fleisch, sondern auch dessen Organe. Es war also der Gedanke der „Resteverwertung“ der uns als Antwort auf die Frage als Erstes (!) eingefallen ist. Im Steirereck wurde uns relativ schnell bewusst, dass qualitative Innereien nicht nur verwertet werden, sondern sogar wunderbare Nährstoffe mit sich bringen (vor allem in Punkto Vitamin A und Vitamin B12) (Schwangere, Rheuma- und Gichtkranke sollten bitte auf Innereien verzichten!) . Ja sogar zu einer kulinarischen Kreativität anregen und in der gehobenen Gastronomie unfassbar bereichernd sein können. Es erfordert jedoch Muse und Zeit Innereien neuartig zu interpretieren und zu einzigartigen Gerichten zuzubereiten. Im Steirereck hat es sich Chefkoch Heinz Reitbauer zusammen mit seinem Team zur Aufgabe gemacht ausgefallene Innereien-Kreationen zu erschaffen. Zuerst müssen wir jedoch klären wie wichtig die Qualität von Innereien ist. Auf Einladung einer Veranstaltung des Koch.Campus im Steirereck Wien hatten wir die einmalige Möglichkeit von Heinz Reitbauer persönlich einen Vortrag – gefolgt von Innereien-Kreationen – beizuwohnen.


Während wir mittlerweile seit drei Generationen im Lebensmittelüberfluss leben hat die Innereien-Küche ihre Ursprünge aus sehr kargen Zeiten. Es musste schlichtweg hin alles gegessen werden um satt zu werden. In den 50er Jahren kam die Cholesterin-Debatte auf, angestoßen in den USA, die zwischen den Jahren 1920-1955 einen enormen Anstieg an Todesfällen hatten. Diese Todesfälle wurden verursacht durch Herzinfarkt, was großes Aufsehen erregte. Cholesterin wurde somit als der Übeltäter dieser Herzinfarkten an den Pranger gestellt und als der Hauptauslöser betrachtet. Die Tipps der Ernährungsberater lauteten somit: Weniger Fett und Cholesterin arm. Viel später erkannte man das der große gemeinsame Nenner und eigentliche Ursache nicht das vermeintlich „böse“ Cholesterin war, sondern der hohe Zuckerkonsum (meist „high fructose corn sirup“, zugesetzt in einer Vielzahl an Getränken und Lebensmittel). Diese Debatte trug maßgeblich dazu bei, dass die Innereien-Küche eine lange Zeit verpönt wurde. Was übrigens auch der Grund ist, warum es generell so wenige Innereien-Rezepte gibt. Als die Küche wieder an Fahrt aufnahm waren es die Gerichte der Groß- und der Urgroßmutter, die man oft mit Innereien verband. Kommen wir nun zu den einzelnen Innereien.


Hirn
Das Hirn muss jünger als 12 Monate sein. Denn seit dem BSE Skandal ist bei einem Kalb ab 12 Monate die Verwendung des Hirnes verboten. Das Gehirn hat einen sehr hohen Cholesteringehalt, dies liegt am hohen Zellstoffwechsel der im Gehirn stattfindet. Es besteht zur Hälfte aus Fett und zur anderen aus Proteinen.


Zunge
Obwohl sie nicht im Bauchraum des Tieres liegt wie die meisten Organe – ausgenommen Bries und Hirn – aber da sie auch kein Muskel (beinahe!) oder Organ ist, zählt sie dennoch zu den Innereien. Gepökelt oder geräuchert ist sie äußerst wohlschmeckend, muss jedoch gründlichst gesäubert werden. Ebenso nimmt sie mit dem Alter des Tieres an Rauheit zu. Desto jünger das Tier ist desto feiner das Gewebe der Zunge, ein Grund warum Kalbs- und Lammzungen am beliebtesten sind. Interessant ist auch, dass sie neben Leber und Herz zu den beliebtesten Innereien gehört. Auch hier ist der Fettanteil recht hoch, denn rund 70% der Kalorien einer Rinderzunge stammen vom enthaltenen Fett (dies macht die Zunge aber auch extrem zart). Neben Fett enthält sie Eisen, Zink, Vitamin B12 sowie B-Vitamine und Spurenelemente. Sie ist auch ideal für Innereien-Einsteiger aufgrund ihrer Zartheit und milden Geschmackes. ​


Bries
Als Bries wird die Thymusdrüse bezeichnet und sitzt unterhalb der Brust des Tieres. Sie wird vom Aussehen oftmals mit dem Gehirn verwechselt. Das Tier benötigt diese Drüse zum Heranwachsen. Bei ausgewachsenen Rindern ist das Bries nicht mehr vorhanden. Ihr Anteil von Vitamin von 56 mg pro 100g sowie der Gehalt an Kalium von 386 mg pro 100 g kann sich sehen lassen. Kalbsbries ist eine Spezialität der österreichischen Küche. ​


Max Stiegl vom Gut Purbach hat das Pferdeherz in einem Ceviche-Gericht neu interpretiert. Das Herz ist abgeschmeckt mit Yuzu, Eberautensaft (auch liebevoll “Cola für Arme” getauft von Max Stiegl), Verjus, Oktopus, Sechuanpfeffer und sibirische Gurke..

Die Köche des Steirerecks haben das Herz gebeizt und Luft getrocknet. In einem Heubett, eine Art der Mumifizierung – nannten sie es – finalisierten sie den Geschmack zu einem wundervollen Rinderherz-Schinken. Eine weitere Kreation war das roh marinierte Milchkalbsherz auf Wassermelone und Zitrusdressing und die Herz-Suppe. 

Herz
Beim Herz ist es am schwierigsten eine gute Qualität zu erkennen. Das liegt daran, dass dieser Muskel des Tieres relativ ähnlich groß ist sowohl bei der Massentierhaltung als auch auf kleinen Höfen. Herz liefert Proteine und ist dabei äußerst fettarm. 

Als Rätsel aufgebaut wurden uns 6 verschiedene Tier-Herzen vorgesetzt. Am Geschmack und an der Größe sollten wir sie dem jeweiligen Tier zuordnen. Geschmacklich konnte man erkennen, ob es ein Wild-Tier war oder nicht. Die Konsistenz war ebenso sehr unterschiedlich. Am bekanntesten sind wohl Hühnerherzen.
In zwei weiteren Gerichten verarbeiteten die Steirereck Köche Taubenmägen und Fischherzen (Karpfen). Im ersten Bild seht ihr – Alex ihr Favorit des heutigen Tages – Taubenmägen- und herzen Ragú mit knuspriger Hühnerhaut und Majoran. Im zweiten Bild seht ihr Karpfenherzen (Süßwasserfisch aus Österreich) mit Paprika, Mispel und Stangensellerie ebenso verkocht in einem Ragú. 


Lunge

Der Qualitätsunterschied und somit Gesundheitsunterschied der Lunge ist am beeindruckendsten. Bei einer Massentierhaltung ist die Lunge klein, grau-bleich und oft mit weißen oder schwarzen Punkten übersät. Diese Punkte / Belag deuten auf eine Lungenkrankheit des Tieres hin, was bei einer Masthaltung fast schon logisch erscheint. Die gesunde Leber eines freilaufenden Rindes ist fast doppelt so groß, besitzt eine glatte Haut und gesunde Farbe.Die Steirereck Köche haben mit der Lunge zwei Gerichte kreiert: Lungen-Bratwurst – einmal “regional” mit einer Vinaigrette aus Zitrusfrüchten, Salbei, Schalotte, Minze und Zitronenmelisse und eine weitere “orientalisch” mit einem Marillen-Pflaumen-Ketchup
Das zweite Gericht ist gegrillte Lunge mit Grammeln (ein Nebenprodukt der Talg- und Fettgewinnung aus tierischen Produkten) mit Limette & Algen.


Leber
Die Farbe der Leber variiert nicht aufgrund eines Qualitätsunterschiedes, sondern rein ernährungstechnisch. Sobald ein Kalb Raufutter zugefüttert bekommt, wird das Organ aufgrund des Eisengehaltes dunkler. Bei einem Milchkalb wird oft absichtlich ein Eisenmangel erzeugt, um die Leber hell zu halten. Das Kalb würde jedoch gerne etwas „naschen“, da es schnell großen Hunger entwickelt und schon nach ein paar Wochen eine Art Zufütterung verlangt.
Nährstofftechnisch enthält die Leber eine große Menge an Vitamin A (gut für unsere Sehkraft!) und hat es somit sogar in ein Gericht unseres Kochbuches geschafft. Die sogenannten „weiße Leber“ ist übrigens keine Leber, sondern die Bauchspeicheldrüse. Sollte euch jedoch mal eine helle Leber unterkommen solltet ihr diese meiden!



Kalbsmilz
Milz zu verarbeiten ist höchst aufwendig. Die Küchenteams des Steirerecks entwarfen zwar ein umwerfendes Gericht, jedoch wussten sie lange nicht wie sie die Milz verwerten sollen. Die äußere „Hülle“ ist dick und wird so oft als Wursthülle verwendet. Das Innere wird ausgeschabt und so oft als Gericht „Milchschnitte“ oder in Spätzle hineingegeben. Dies sind die wohl bekanntesten Traditionsverarbeitungsweisen. Kalbsmilz gehört zu den Innereien die uns am meisten überrascht.

Die Köche des Steirerecks berichteten uns von einer Odyssee dieses Gerichts. Es dauerte ca.3-4 Wochen bis sie auf eine Idee kamen was sie mit der Kalbsmilz kreieren könnten. Von der Idee des traditionellen Gerichts “Milchschnitte” oder Spätzle kamen sie ebenso auf die Idee die Milz auszuschaben und mit einem Kalbsfond zu verkochen. In diesem Gericht seht ihr also Kalbsmilz als Suppe. Auf vier kleinen Teilen knusprig gebratene Melanzani (spezifisch österreichischer Ausdruck für Aubergine) liegen eingelegte Zwiebeln mit Paprikaöl und Salzkapern.
​Dieses Gericht ist nicht nur in Perfektion ausgefeilt, es schmeckt auch fabelhaft!

Die Köche des Steirerecks kreierten ebenso Milz Backerbsen und schuffen somit ein Gericht Pilz Ritschert
​mit Heiden (Buchweizen), Mohnmiso, gedörrte Zwetschge, Chiliöl und Liebstöckelöl sowie den Milz-Backerbsen.


Kutteln
Der Blättermagen oder auch Pansen des Rindes wird gastronomisch auch als Kutteln bezeichnet. Der Geschmack ist „Gelatin“-öse und angenehm süßlich. Kutteln sich dabei kalorienarm und leicht verdaulich. Verwendung finden sie oftmals in der traditionell italienischen Küche. ​


Nieren
Die Niere ist mit einem Fettkleid ummantelt. Das Fett ist ein Qualitätsmerkmal und war früher um Weiten wertvoller als es heute ist. Der Qualitätsunterschied im Geschmack ist offensichtlich. Die Niere eines Masttiers ist auch nach guter Vorbereitung wirklich höchst ungenießbar.


Natürlich gab es zu jedem Gang den perfekt abgeschmeckten Wein. Jedoch möchten wir auf die österreichischen Weine in unserem nächsten Blogartikel eingehen.

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